aktuelle stellungnahme 1/22

 

Die Entwicklung des Rechts der Lobbyregister in Deutschland und seine Auswirkungen auf die Kammern und ihre Dachorganisationen

 

Von Prof. Dr. Winfried Kluth

 

I.   Die neuen Lobbyregistergesetze

Vorkommnisse aus der jüngeren Vergangenheit, vor allem im Bereich des Bundestages (u.a. die sog. Maskendeals), haben dazu geführt, dass weitere Maßnahmen als erforderlich erachtet worden. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgesetzgeber für den Bereich des Deutschen Bundestages ein Lobbyregistergesetz erlassen[1], das zum 01.01.2022 in Kraft getreten ist.[2]

 

Auf Länderebene haben der Landtag von Baden-Württemberg[3], der Bayerische Landtag[4] und das Berliner Abgeordnetenhaus[5] ebenfalls gesetzliche Regelungen erlassen. Während das bayerische Gesetz dem gleichen Regelungsansatz wie das Bundesgesetz folgen, wird durch das Berliner Gesetz ein weitergehender Ansatz verfolgt, indem auch die Offenlegung der übermittelten Stellungnahme bzw. Dokumente verlangt wird.

II.   Kerngehalte der Regelungen

Allen Regelungen ist gemeinsam, dass sie die als Interessenvertreter gegenüber Parlament und Regierung aktiven Personen und Organisationen einer Registrierungspflicht unterwerfen. Das so entstehende Register ist öffentlich zugänglich und enthält gesetzlich vorgegebene Informationen zu den Interessenvertretern. Diese werden zudem unterschiedlich weitgehenden Verhaltens-pflichten unterworfen. Exemplarisch wird insoweit auf den im Anhang abgedruckten Verhaltenskodex zum Lobbyregistergesetz des Bundes verwiesen.

III.   Kammerpolitische Aspekte

Aus dem Blickwinkel der Kammern sind derzeit drei Fragen von Bedeutung:

Erstens: Fallen die Kammern und ihre Dachorganisationen in den Anwendungs-bereich der Registrierungspflicht.

Zweitens: Wenn das nicht der Fall ist, sollten sie von der gesetzlich eröffneten Möglichkeit einer freiwilligen Registrierung Gebrauch machen.

Drittens: Welche Compliance-Maßnahmen sind in beiden Fällen zu ergreifen, um im Bereich der Interessenvertretung ein regelkonformes Verhalten abzusichern.

 

Derzeit zeichnet sich in Bezug auf die erste Frage ein Meinungsstreit ab, da Kammern und ihre Dachorganisationen für sich in Anspruch nehmen können, aufgrund gesetzlicher Aufgabenzuweisungen Interessenvertretung auszuüben. Damit kommt die Berufung auf eine in allen Gesetzen vorgesehene Ausnahme-regelung in Betracht.[6]

Ob diese eingreift wird – soweit bislang ersichtlich – von den verschiedenen registerführenden Stellen unterschiedlich beurteilt. Teilweise werden Kammern allgemein als registrierungspflichtig eingestuft, teilweise nur privatrechtliche Dachorganisationen, soweit sie keiner staatlichen Aufsicht unterliegen.

 

Aus der Sicht der Kammern sollte betont werden, dass die von ihnen durchgeführte Interessenvertretung im Rahmen eines gesetzlichen Auftrags und unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen erfolgt, als dies bei den privaten Interessenverbänden der Fall ist. Das Kammerhandeln ist durch seine weitgehenden rechtsstaatlichen Bindungen, die verfahrensrechtlichen Vorgaben für die Meinungsbildung und Äußerung, wie sie die Rechtsprechung entwickelt hat, anders einzuordnen und stellt keine Gefährdung für die Ausübung von Abgeordnetenmandaten und Regierungsämtern dar.

 

Vor diesem Hintergrund sollte auch nicht vorschnell eine freiwillige Registrierung vorgenommen werden, um damit ein Bekenntnis zur Transparenz abzugeben. Diese ist bereits durch die angesprochenen gesetzlichen Vorgaben gegeben.

Anhang:

 

„Verhaltenskodex
für Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im Rahmen des Lobbyregistergesetzes
(Beschluss der Bundesregierung vom 16. Juni 2021, Beschluss des Deutschen Bundestages vom 24. Juni 2021)

Anzuwenden ab dem 1. Januar 2022

Wer Interessenvertretung im Sinne des Lobbyregistergesetzes (LobbyRG) betreibt und nach diesem Gesetz der Registrierungspflicht unterliegt oder sich freiwillig hat registrieren lassen, wird tätig auf der Basis von Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität und akzeptiert mit der Eintragung in das Register für sich und seine Beschäftigten folgende Grundsätze und Verhaltensregeln:

  1. Interessenvertretung erfolgt bei jedem Kontakt im Anwendungsbereich des Lobbyregistergesetzes transparent. Dazu legen Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter ihre Identität und ihr Anliegen sowie gegebenenfalls die Identität und das Anliegen ihrer Auftraggeberin oder ihres Auftraggebers offen und machen über sich und ihren Auftrag bei der Interessenvertretung zutreffende Angaben.
  2. Darüber hinaus wird beim erstmaligen zweckgerichteten Kontakt auf die Eintragung in das Lobbyregister hingewiesen unter Angabe der Verhaltenskodizes, auf deren Grundlage Interessenvertretung betrieben wird. Dabei ist z.B. bei einem Amts- oder Funktionswechsel auf die Person und nicht das Amt oder die Funktion der Adressatinnen oder Adressaten der Interessenvertretung abzustellen. Wurde die Eintragung einzelner finanzieller Angaben nach § 3 Absatz 1 Nummer 6 bis 8 LobbyRG verweigert, so wird auch darauf hingewiesen.
  3. Es werden keine Vereinbarungen geschlossen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Erfolg der Interessenvertretung abhängig gemacht wird (Erfolgshonorar).
  4. Informationen werden niemals auf unlautere Art und Weise beschafft. Dazu zählt insbesondere das Gewähren oder In-Aussicht-Stellen direkter oder indirekter finanzieller Anreize gegenüber Adressatinnen und Adressaten der Interessenvertretung, wenn diese dadurch ihre Pflichten verletzen würden.
  5. Vertrauliche Informationen, die Interessenvertreterinnen oder Interessenvertreter oder ihre Beschäftigten im Rahmen der Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag oder gegenüber der Bundesregierung erhalten, werden nur in zulässiger und jeweils vereinbarter Weise verwendet oder weitergegeben.
  6. Die Bezeichnung „registrierte Interessenvertreterin“ oder „registrierter Interessenvertreter“ wird nur verwendet, wenn die Eintragung in das Lobbyregister einschließlich der finanziellen Angaben nach § 3 Absatz 1 Nummer 6 bis 8 LobbyRG ordnungsgemäß erfolgt ist, die Eintragung keine Kennzeichnung „nicht aktualisiert“ enthält und im Register kein Hinweis auf einen Verstoß gegen diesen Verhaltenskodex veröffentlicht ist.
  7. Sollten Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter zu einer öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag eingeladen oder gemäß § 47 Absatz 3 und Absatz 5 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien beteiligt werden, obwohl finanzielle Angaben nach § 3 Absatz 1 Nummer 6 bis 8 LobbyRG verweigert wurden, die Eintragung die Kennzeichnung „nicht aktualisiert“ enthält oder ein Verstoß gegen diesen Verhaltenskodex in das Lobbyregister eingetragen ist, wird dieses der für die Einladung bzw. Beteiligung zuständigen Stelle unverzüglich und unaufgefordert durch die betreffende Interessenvertreterin oder den betreffenden Interessenvertreter mitgeteilt.
  8. Im Kontakt mit Auftraggeberinnen oder Auftraggebern, Kundinnen oder Kunden oder sonstigen Dritten unterlassen es Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter, ein nicht bestehendes Auftrags-, Nähe- oder Beratungsverhältnis zu den im Lobbyregistergesetz genannten Adressatinnen und Adressaten der Interessenvertretung zu behaupten.
  9. Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter akzeptieren, dass die Angaben im Lobbyregister durch die registerführende Stelle überprüft werden können und stellen sicher, dass Anfragen der registerführenden Stelle, insbesondere auch im Rahmen von Prüfverfahren nach § 5 Absatz 8 LobbyRG, unverzüglich beantwortet werden.“

 

[1]           Gesetz zur Einführung eines Lobbyregisters für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und gegenüber der Bundesregierung (LobbyRG) v. 16. April 2021, BGBl. I S. 818.

[2]           Dazu Austermann, NVwZ 2021, 585 ff.

[3]           Gesetz über ein Transparenzregister v. 4. Februar 2021, GBl. S. 199.

[4]           Bayerisches Lobbyregistergesetz v. 6. Juli 2021, GVBl. S. 386.

[5]           Gesetz über die Einführung des Lobbyregisters beim Abgeordnetenhaus v. 5. Juli 2021, GVBl. S. 840

[6]           Zentner, in: Austermann/Schwarz (Hrsg.), Lobbyregistergesetz, 2022, § 2, Rn. 39 ff.

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